Christian Schroeder: Rede zu "Keine Exoten in Zirkussen – Tierhaltung und -transportbedingungen weiter verbessern"
TOP 8: “Keine Exoten in Zirkussen – Tierhaltung und -transportbedingungen weiter verbessern” (Antrag SPD/Grüne)
- Es gilt das gesprochene Wort -
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren,
Ein Tiger ist ein Tiger ist ein Tiger …
Er trägt die Farben des Feuers. Seine Bewegungen
sind gleitend und gemessen.
Er mag sein Verhalten im Umgang mit Menschen
verändern, nicht aber sein Wesen – er bleibt edel.
Viele Kenner, die einem Tiger nahe (oder zu nahe) kamen – ob Jäger, Wildhüter oder Dompteure -, haben das übereinstimmend bezeugt.
Diese Textzeilen stammen aus einem Artikel der Tageszeitung vom 31. August 1989.
Das ist so lange her, dass ich damals gerade mal 13 Jahre alt war.
Seit mehr als 34 Jahren diskutieren wir also als Gesellschaft, ob wir wilde und exotische Tiere in unseren Zirkussen halten wollen.
Seit mehr als 34 Jahren diskutieren wir, ob diese Tiere, zu unserem kurzweiligen Vergnügen und gegen ihr natürliches Verhalten, Kunststücke vorführen müssen.
Seit mehr als 34 Jahren diskutieren wir, ob wir wilde und exotische Tiere tagtäglich in unvertrauter Umgebung, bei nicht artgerechten Bedingungen und unter hohem Stress, ob wir diese Tiere immer neuen Situationen aussetzen wollen?
Und all das nur, damit wir unseren Kindern mal einen echten Tiger oder einen echten Bären zeigen können?
Ich frage Sie, meine Damen und Herren, möchte denn hier ernsthaft noch jemand behaupten, Wildtiere und Exoten könnten unter den Bedingungen eines Wanderzirkus artgerecht gehalten werden?
Frau Jensen, der Kollege Domeier hat Ihnen eben bereits fachlich fundierte Argumente dargelegt. Nicht nur, dass die Argumente gegen eine Zurschaustellung von exotischen und wilden Tieren in unseren Zirkussen sprechen, die gegenwärtige Haltungspraxis tut es ebenfalls:
Sowohl Tierschutz- als auch Naturschutzorganisationen weisen seit Jahren immer wieder auf die Probleme mit den Haltungsformen hin.
Es ist Zeit, dass wir diesen Expert*Innen endlich zuhören.
Es ist Zeit, dass wir die Probleme mit der Haltung von exotischen und wilden Tieren in Zirkussen endlich angehen.
Es ist Zeit, die Haltung von Wildtieren, endlich zu beenden.
Ich bin mir sicher, Sie alle kennen die Bilder von Elefanten, die unter Hospitalismus leiden.
Haben Sie schon mal Tiger gesehen, die sich in ihren Boxen praktisch im Kreis drehen, weil sie ihrem Bewegungsdrang nicht nachkommen können?
Ich bin mir sicher, Sie alle kennen diese Bilder.
Ich bin mir sicher, Sie alle wissen, dass diese Verhaltensauffälligkeiten nichts mit glücklichen, zufriedenen Tieren zu tun haben.
Aber:
„Die Kinder können endlich mal einen echten Tiger sehen”,
Wirklich?
Ist das ein echter Tiger?
Ist ein Zirkus wirklich die beste Art und Weise, Kindern einen echten Tiger zu zeigen?
Eigentlich sollen Zoos diesen Bildungsauftrag erfüllen. Und das tun sie auch. Das tun sie inzwischen sogar sehr gut. Vor allem, werte Kolleginnen und Kollegen, tun sie dies beständig nach den neuesten Erkenntnissen artgerechter Tierhaltung.
Schon heute haben ca. 70 Kommunen – häufig im Alleingang – ein Verbot von Wildtieren auf städtischen Flächen ausgesprochen. Das Ergebnis ist ein Flickenteppich an Erlaubnis und Verbot.
Zugegebenermaßen; einige Verbote wurden durch Gerichte gekippt!
Das zeigt, das dies mittelfristig nur eine Notlösung sein kann. Die Haltung von exotischen und wilden Tieren wird den Zirkussen ja eben auch damit nicht verboten.
Nein, es braucht eine bundesweite Lösung. Eine einheitliche Lösung. Ein flächendeckendes Verbot schafft Rechts- und Planungssicherheit für Kommunen, Zirkusse und vor allem auch gleiche Bedingungen für alle.
Viele renommierte Zirkusse, wie der Zirkus Roncalli, der Cirque de Soleil, oder auch der Cirque Bouffon, kommen heute schon komplett ohne Tiere in ihren Programmen aus. Schon aus wirtschaftlichen Gründen kann man den verbliebenen Zirkussen nur raten umzustellen. Denn die Besucherinnen und Besucher werden es danken!
Die Haltung von wilden und exotischen Tieren in Zirkussen ist aus heutiger Sicht nicht mehr zu rechtfertigen. Weder ist sie artgerecht, noch beinhaltet sie einen pädagogischen Mehrwert.
Nein, das Halten von Wildtieren und ihre Zurschaustellung in Zirkussen ist mit unserem Selbstverständnis einer aufgeklärten und emphatischen Gesellschaft unvereinbar.