Tanja Meyer: Rede zur Gleichstellungspolitik (Antrag SPD/GRÜNE)
TOP 15: „Stillstand beenden - moderne Gleichstellungspolitik verwirklichen und als Land vorangehen“ (Antrag SPD/Grüne)
- Es gilt das gesprochene Wort -
Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleg*innen,
logisch wäre es heute hier zu diesem Antrag mit dem niedersächsischen Verfassungsauftrag zur Gleichstellung der Geschlechter zu starten. Das möchte ich aber nicht.
Ich möchte starten mit einer Haltung für die wir in Niedersachsen stehen. Wir als demokratische Parlamentarier*innen, als Land, als Gesellschaft. Es steht dabei für mich außer Frage, dass eine gelebte Gleichstellung, eine Chancengleichheit unabhängig von dem Geschlecht und eine beständige Arbeit daran und dafür für uns alle selbstverständlich sein müssen. Und ich hoffe wirklich sehr, dass niemand in diesem Parlament das in Frage stellt.
Und auch wenn wir diese Haltung haben, wenn wir das alles für richtig und wichtig halten, ist es leider auch in unseren Reihen sichtbar, dass Exklusion und Barrieren eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, am Arbeitsleben und an politischen Ämtern verhindern.
In unseren Verwaltungen sind Frauen in den Führungspositionen nach wie vor unterrepräsentiert mit knapp über 30 Prozent. Teilzeit ist dabei die große Ausnahme. Von den Frauen in Spitzenpositionen des Landes arbeiteten knapp über 16 Prozent in Teilzeit, jedoch unter 2 Prozent der Männer (2017).
Startchancen sind nicht gleich. Machterhalt ist ein wichtiger Faktor bei Entscheidungen. Women of Color, Frauen mit Behinderung, alte oder junge Frauen, erleben, wie Exklusionsmechanismen sich potenzieren. Das gilt genauso für vielfältige Kombinationen von Diversitätsdimensionen.
Das alles wissen wir.
Niedersachsen muss hier Verantwortung übernehmen. Ein modernes Landesgleichstellungsgesetz ist überfällig. Deswegen legen wir heute diesen Antrag vor.
Wichtig dabei ist: Die Realisierung von Gleichstellung ist Aufgabe von uns allen. Die Dienststellen im Land kommt dabei für ihren Verantwortungsbereich eine entsprechende Verantwortung zu. Und das ist entscheidend. Es ist nicht Aufgabe der Gleichstellungsbeauftragten, Gleichstellung umzusetzen. Es ist und bleibt die Aufgabe der Dienstelle, insbesondere von deren Leitungen.
Gleichstellungsbeauftragte sind die Fachpersonen, die hier unterstützen, beraten und Prozesse gestalten und voranbringen. Sie sind aber auch die, die kritisch sein müssen, die Unbequemes aussprechen, die sich in den Wind stellen, den Finger in die Wunde legen. Die gegen bestehende verfestigte Strukturen wirken. Deswegen sind der Schutz und die Unabhängigkeit ihrer Arbeit besonders wichtig.
Die Dienststellen müssen dafür sorgen, dass Gleichstellungspläne erstellt bzw. dass spezifische Gleichstellungsziele formuliert und umgesetzt werden. Dass durch Personal- und Organisationsentwicklung paritätische Vertretungen in Gremien möglich sind. Dass Strukturen, Vereinbarkeit von Erwerbs- und Sorgearbeit, aber insbesondere auch mit einem beruflichen Aufstieg ermöglichen. Dass eine Kultur gelebt wird, die Sorgearbeit anerkennt, Vielfalt lebt, Diskriminierung entgegenwirkt und gerechte Chancen schafft.
Jede Form der sexualisierten Diskriminierung ist inakzeptabel und zu ahnden. Das ist meines Erachtens selbsterklärend und bedarf hier keiner weiteren Erläuterung.
Und da ich vermute, dass allein das Stichwort „Geschlechtergerechte Sprache“ auch in unserem Antrag mehr Aufmerksamkeit auf sich zieht, als manch anderer Inhalt, hier auch ein kurze Einordnung dazu: Es ist Aufgabe, der Verwaltung, Exklusionen entgegenzuwirken. Dazu gehört natürlich auch unsere Sprache. Und deswegen muss auch die Vielfalt der Geschlechter in der Sprache abgebildet werden. Dieser Antrag ist kein Antrag für den Genderstern, -gap, Doppelpunkt, oder andere Schreibweisen. Es ist der Auftrag eine inklusive, unserer Vielfalt gerecht werdenden Sprache zu verwenden. Alles andere wäre in einem solchen Gesetz zur Gleichstellung in sich widersinnig.
Erlauben Sie mir hier noch den Nebensatz: Es wäre sehr gut, wenn wir bei diesem Thema weg kommen von einem „geht nicht“ oder schlimmer noch „darfst Du nicht“, hin zu einer dafür Verantwortung übernehmenden aktiven Entwicklungsarbeit der Expert*innen.
Liebe Kolleg*innen,
Gleichstellung ist in unserer Gesellschaft noch nicht umfassend gelebt. Arbeiten wir zusammen daran, dass dies geschieht, unterstützen wir die, die sich dafür einsetzen und fangen wir vor allem bei uns an, hierfür umfassend Verantwortung zu tragen. Deswegen bitte ich Sie um Zustimmung zur dringenden Reform des Niedersächsischen Gleichstellungsgesetzes, des NGG.
Ich freue mich auf den gemeinsamen Gestaltungsprozess und danke Ihnen für die Aufmerksamkeit.